Stiftung Neuerkerode - wie ein digitaler Einkaufsservice im Alltag funktioniert
28. Juni 2021
Die Digitalisierung der Pflege kommt in vielen verschiedenen Formen, betrifft die unterschiedlichsten Bereiche und schreibt spannende neue Geschichten. Digitalisierung ist nicht nur ein technisches Thema, sondern ein Change Prozess, der Offenheit und Zeit braucht. Im Doppel-Interview mit Edith Keitel, Leiterin Sozialer Dienst im Theresienhof Goslar und Christoph Gukelberger, Mitgründer und Geschäftsführer der BringLiesel GmbH, spreche ich über die Herausforderungen bei der Einführung von digitalen Lösungen und warum Online-Einkauf nicht gleich Online-Einkauf ist.
Frau Keitel, warum haben Sie sich als Einrichtung mit einem Einkaufs-Service befasst?
Edith Keitel: Die individuelle Versorgung der Bewohnenden mit Produkten des täglichen Bedarfs wird bei uns in der Einrichtung normalerweise von Angehörigen übernommen. Wir haben aber in den vergangenen Jahren feststellen müssen, dass viele dies nicht mehr leisten können. Daraufhin machten wir uns auf die Suche nach Alternativen und haben anfangs mit einem lokalen Einkaufszentrum zusammengearbeitet: Für die Bestellung erstellten wir eigene Listen mit Produkten, die die Bewohnenden benötigen. Diese wurden vom Einkaufszentrum geliefert. Ständige Probleme bei der Bezahlung und die hohe Servicegebühr waren Gründe, warum wir nach Alternativen gesucht – und BringLiesel gefunden haben. Wir haben es einfach mal ausprobiert und waren sofort begeistert, weil Bearbeitung und Lieferung sehr schnell gingen und das Sortiment breit ist. So viele verschiedene Läden abzufahren, könnten wir gar nicht leisten. Außerdem erleichtern uns die Einzelnachweise der Bestellungen die Arbeit bei der Abrechnung enorm.
Christoph Gukelberger: Dass sich Einrichtungen selbst Wege gesucht haben, um das Versorgungsproblem für ihre Bewohnenden zu lösen, ist auch der Grund, warum es die BringLiesel überhaupt gibt. Wir haben mit unserem Service versucht, eine Prozessverbesserung und damit einen Mehrwert für die Pflegebranche anzubieten. Und weil die BringLiesel sich genau auf diese Anforderungen fokussiert und es ihr Kerngeschäft ist, funktioniert es so gut.
Wie haben die Mitarbeitenden auf die Veränderung reagiert?
Edith Keitel: Die Mitarbeitenden nahmen die Einführung der Einkaufsassistenz gut an. Klar kam am Anfang manchmal der Einwand „Müssen wir das jetzt auch noch machen?...“, aber mittlerweile haben alle die Vorteile erkannt und fragen schon proaktiv, wann sie wieder gemeinsam mit den Pflegenden die Bestellungen auswählen sollen. Normalerweise bestellen wir einmal im Monat bei der BringLiesel, bei Bedarf aber auch häufiger. Neben dem Service der BringLiesel bieten wir nach wie vor Einkaufsfahrten für Bewohnende an, die noch mobil sind und einkaufen gehen wollen. Das ist aber ein anderer Rahmen, der nur eine Ergänzung sein kann.
Was ist entscheidend dafür, dass die Mitarbeitenden zufrieden sind mit einem neuen digitalen Service?
Edith Keitel: Der Service oder das Produkt müssen effektiv sein. Im Falle einer Einkaufsunterstützung müssen die Bestellungen zeitnah ankommen.
Christoph Gukelberger: Am Anfang steht immer, dass man Mitarbeitende von einer Idee überzeugt und die digitale Lösung ins Team integriert. Personen, die den Wandel mittragen in Einrichtungen oder bei Trägern, sind daher für eine erfolgreiche Einführung essentiell. Begleitend muss es auf unserer Seite jemanden geben, der weiß, was es heißt, Neuerungen einzuführen und damit sensibel umgeht. Nur dann kann eine Einführung gut gelingen.
Was ist die größte Herausforderung bei der Einführung?
Christoph Gukelberger: Wir sehen, wie schwierig es sein kann, alte Prozesse zu ändern und Neues einzuführen. Dafür muss man als Unternehmen, das digitale Lösungen anbietet, Verständnis zeigen und Geduld haben. Wenn Unsicherheiten da sind bei der Leitungsperson, übertragen sich diese aufs Team und dann fehlt es an Umsetzungskraft. Als Unternehmen kommt man so ganz schnell an Grenzen. Fehlende Offenheit bei der Umstellung steht der erfolgreichen Einführung von Neuem am meisten im Wege. Das hat sich aber in den vergangenen beiden Jahren deutlich zum Positiven entwickelt, eine gewisse Offenheit ist vielerorts bereits da.
Was sind allgemein die größten Vorbehalte gegenüber eurer digitalen Lösung?
Christoph Gukelberger: Grob zusammenfassen würde ich die Vorbehalte mit dem Ausspruch „Das lief schon immer so“. Diese Einstellung beschreibt gut, dass es etablierte Strukturen gibt, die manchmal ungern geändert werden. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass viele Betreuungspersonen gerne einkaufen gehen und daran Spaß haben. Was auch immer die genauen Gründe sind, warum unser Service erstmal auf Skepsis stößt: Wir versuchen nicht auf Teufel komm raus zu überzeugen und fahren keine aggressive Verkaufspolitik. Wir geben lieber Zeit, denn am Ende kann es ja nur funktionieren, wenn das Team für sich den Mehrwert erkennt. Alles andere ist nicht nachhaltig.
Edith Keitel: Früher sind die Angestellten bei uns oft noch nach ihrer Arbeitszeit einkaufen gegangen. Weil die BringLiesel aber die einfachste Variante ist, sind meine Angestellten doch sehr froh über den Service und die Zeitersparnis, die damit einhergeht. Sie haben ja auch nach wie vor den Kontakt mit den Bewohnenden, sie kontrollieren die Einkäufe, verteilen sie auf den Zimmern und bleiben so auch weiterhin die Person, die sich kümmert. Damit ist es für alle eine Win-Win- Situation.
Gibt es technische Hürden, die man überwinden muss?
Edith Keitel: Das ist bei uns zum Glück kein Thema mehr. Die digitale Kompetenz meiner Mitarbeitenden ist gut und sie sind geübt im Umgang mit der BringLiesel-Software. Diese ist sehr nutzerfreundlich und logisch aufgebaut.
Christoph Gukelberger: Die größte technische Herausforderung, die wir beobachten, ist die noch häufig lückenhafte WLAN-Ausstattung in den Einrichtungen. Außerdem sind auch Tablets bislang eher selten. Wir schlagen hier aber eine Brücke und bieten unseren Sortiments-Katalog und die Bedarfsliste sowohl digital als auch in Papierform an.
Können Sie sich vorstellen – sobald Sie WLAN haben – dass Ihre Betreuungspersonen Bestellungen direkt mit den Bewohnenden ins Tablet eingeben?
Edith Keitel: Das kann ich mir gut vorstellen. Wenn die Eingabe-Maske in einem zweiten Schritt noch stärker auf die Bewohnenden zugeschnitten wird, wäre sogar die direkte Eingabe durch die Bewohnenden eine schöne Alternative. Zum jetzigen Zeitpunkt versuchen wir die zu bestellenden Produkte gemeinsam mit den Pflegenden auszuwählen und dadurch auch Teilhabe und Selbstbestimmung zu gewährleisten. Die Eingabe der Bestellung ins Tablet und die Verteilung der Päckchen wird aber von unseren Betreuungskräften übernommen.
Christoph Gukelberger: Wenn sich der Theresienhof, wie geplant, noch stärker Richtung Pflegequartier entwickelt, gäbe es auch neue Möglichkeiten, bestimmte Angebote über Quartiers- Plattformen digital zu bündeln: von Veranstaltungstipps, Informationen aus dem Quartier bis hin zur BringLiesel als Einkaufs-Service. So könnten Menschen individuell und direkt bei BringLiesel bestellen.
Warum nutzen Sie BringLiesel und nicht Rewe Online? Was macht die BringLiesel besonders für Pflegeanbieter?
Christoph Gukelberger: Die Einkaufs-Assistenz der BringLiesel ist direkt für den Pflegebereich und dessen Anforderungen entwickelt. Der Bestellvorgang ist zum Beispiel in den Pflegealltag integriert: Es müssen keine 160 Einzel-Accounts bei REWE Online erstellt werden mit eigenem LogIn usw., nur um Einzelabrechnungen zu erhalten. Wenn man bei REWE für alle zusammen bestellt, hat man den großen Verwaltungsaufwand, bei allen einzeln das Geld einzusammeln. Wir haben den Verwaltungsprozess automatisiert. Außerdem bieten wir in Summe sehr viel geringere Lieferkosten an.
Edith Keitel: Für uns ist auch das Verpackungsmaterial ein Thema. Bei den Bestellungen im Supermarkt kamen oft sehr viele Tüten und Kisten, die man dann wieder abgeben musste bzw. weggeschmissen hat. Das ist hier nicht der Fall. Auch wird immer genau das geliefert, was bestellt wurde. Wir sind also rundum zufrieden.